Das OZG ist ein Digitalisierungsversuch an einem untauglichen Objekt, urteilt Uwe Specht, Senior Specialist Solutions Consultant Pegasystems. The OZG is an attempt to digitize an unsuitable object, says Uwe Specht, Senior Specialist Solutions Consultant at Pegasystems.
Das Onlinezugangsgesetz (OZG) ist alles andere als eine Erfolgsgeschichte: Nur ein Bruchteil der bis Ende 2023 versprochenen Online-Anwendungen der Verwaltung ist bisher verfügbar. Daran wird auch das kürzlich gestartete OZG 2.0 nichts ändern. Doch statt vordergründig die IT für dieses Scheitern verantwortlich zu machen, scheint es sinnvoller, bei der Spurensuche genauer hinzuschauen. Dabei könnten sich überraschende Erkenntnisse ergeben.

Erst vor wenigen Tagen wurde die nächste Stufe des Onlinezugangsgesetzes gezündet, gerne auch als OZG 2.0 bezeichnet. Dabei ist das ursprüngliche OZG 1.0 zu gerade mal einem Viertel umgesetzt. Der Status quo ist ernüchternd: Zu Anfang des Jahres 2024, also rund ein Jahr nach der angesetzten Deadline, waren gerade einmal 153 Online-Leistungen bundesweit verfügbar. Das sind nicht mal 27 Prozent des vorgesehenen Ziels von 575. Man mag das kläglich, beschämend oder desaströs nennen, aber damit ist das Problem nicht gelöst. Fakt ist, dass es bei diesem Tempo noch neun Jahre bis zur vollständigen Umsetzung dauern würde. Also müssen das Vorgehen und die Zielvorstellungen grundlegend überdacht werden.

Die IT ist nicht das Problem, sie muss es nur ausbaden

Für das aktuelle Desaster wird oft die IT verantwortlich gemacht. Dabei wird gerne übersehen, dass sie vor einer praktisch unlösbaren Aufgabe steht. Wer als Wirt beispielsweise schon einmal einen Antrag auf Außengastronomie in einer bayerischen Großstadt gestellt hat, versteht die wachsende Verzweiflung des Antragsstellers. Und das ist kein Einzelfall, im Gegenteil. Überkomplexe Gesetze mit einer Flut von Ausnahmegenehmigungen und Einzelfallregelungen lassen die Fallbearbeitung zur Sisyphos-Arbeit ausarten. Asterix-Fans fühlen sich unwillkürlich an den legendären Passierschein A38 erinnert. Ein Albtraum. Was nützt also die digitale Antragsstellung, wenn die Vorgänge anschließend analog weiterbearbeitet werden müssen? Faxe gehören nach wie vor zur behördlichen Grundausstattung. Überkomplexe Prozesse werden zudem durch Digitalisierung nicht handhabbarer.

Zwischenfazit: Die Erfahrungen mit dem OZG zeigen, dass die jetzige behördliche Gesetzgebung in weiten Teilen undigitalisierbar ist. Daraus müssten Konsequenzen gezogen, sprich alte Zöpfe abgeschnitten und Altlasten beseitigt werden. Überbordende Komplexität ist der Zeitfresser und Lösungsverhinderer Nummer eins. Vom Frustpotenzial für alle Beteiligten einmal ganz abgesehen. Also müssen wir genau hier ansetzen.

KI wird beim OZG in doppelter Mission gebraucht

Ob Politik und Behörden genügend Kraft und den Mut dafür aufbringen, bleibt allerdings fraglich. Wenn wir aber einmal optimistisch denken und von einem Pool entschlackter Vorgänge und Prozesse ausgehen, könnte die digitale Landschaft neu gedacht werden. Dann allerdings nicht mehr aus der behördlichen Innensicht, sondern Ende-zu-Ende aus der „Kundensicht“, also der Experience der Antragsteller. Es wäre ein Meilenstein. Leider können wir nicht ernsthaft damit rechnen, dass er rasch erreicht wird. Also brauchen wir zusätzlich praktikablere Ansätze.

Die Hoffnung ruht dabei auf Künstlicher Intelligenz in all ihren aktuellen Spielarten: analytisch, prediktiv und generativ. Sie wird als Komplexitätsreduzierer wie auch als Lösungsansatz eine tragende Rolle spielen. Analytische KI kann beispielsweise Altlasten identifizieren, Widersprüche entdecken oder überflüssige Bearbeitungsschritte sichtbar machen. Sie ist damit ein exzellentes Tool bei der Bereinigung ineffizienter Prozesse. Generative KI dagegen durchforstet Tonnen an Dokumenten oder recherchiert Vorschriften und verfasst daraus Zusammenfassungen, die Wichtiges von Profanem oder Redundantem trennen. Das unterstützt bei der Entscheidungsfindung und beschleunigt so die Bearbeitungszeiten. Egal ob OZG 1.0 oder OZG 2.0, ohne eine Entschlackung des behördlichen Regelungswildwuchses wird es genauso wenig gehen wie ohne den Einsatz von KI. Wenn wir uns darauf als Minimalkonsens einigen könnten, wäre schon viel gewonnen.

The German Online Access Act (Onlinezugangsgesetz, OZG) is anything but a success story: So far, only a fraction of the online government applications promised by the end of 2023 are available. The recently launched OZG 2.0 will not change this. But instead of superficially blaming IT for this failure, it makes more sense to take a closer look. This may lead to some surprising findings.

Just a few days ago, the next stage of the Online Access Act, often referred to as OZG 2.0, was introduced. However, the original OZG 1.0 is only a quarter of the way through implementation. The status quo is sobering: in early 2024, about a year after the deadline, only 153 online services were available nationwide in Germany. That’s less than 27% of the planned 575. You can call that pathetic, shameful, or disastrous, but it doesn’t solve the problem. The fact is that at this rate it would take another nine years to achieve full implementation. So we need to fundamentally rethink our approach and our goals.

IT is not the problem, it just has to bear the brunt of it

IT is often blamed for the current disaster. What is often overlooked, however, is that IT is faced with a virtually impossible task. Anyone who has ever applied for an outdoor catering contract in a large Bavarian city, for example, will understand the growing desperation of the applicant. And this is not an isolated case. Overly complex laws with a flood of exemptions and case-by-case rules make processing applications a Sisyphean task. Fans of the French comic Asterix are involuntarily reminded of the legendary A38 permit. This is a nightmare. What is the point of submitting applications digitally if they still have to be processed in analog form?

Faxes are still part of the basic government equipment. Moreover, digitization does not make overly complex processes more manageable.

Interim conclusion: The experience with the OZG shows that much of the current official legislation cannot be digitized. Consequences have to be drawn, i.e. old habits have to be broken and old burdens have to be removed. Excessive complexity is the number one time waster and solution inhibitor. Not to mention the potential for frustration for everyone involved. So this is exactly where we need to start.

AI is needed for the OZG in a dual mission

It remains to be seen whether politicians and authorities will have the strength and courage to do this. But if we are optimistic and assume a pool of streamlined procedures and processes, the digital landscape could be rethought. It should no longer be addressed from the internal perspective of the authorities, but end-to-end from the „customer perspective“, i.e. the experience of the applicant. That would be a milestone. Unfortunately, we cannot seriously expect it to happen quickly. So we also need more practical approaches.

Hope is pinned on artificial intelligence in all its current forms: analytical, predictive, and generative. It will play a key role both as a complexity reducer and as a solution approach. Analytical AI, for example, can identify legacy problems, discover inconsistencies, or reveal redundant processing steps. This makes it an excellent tool for streamlining inefficient processes. Generative AI, on the other hand, sifts through reams of documents or researches regulations and creates summaries that separate the important from the mundane or redundant. This supports decision-making and speeds up processing times. Regardless of whether it is OZG 1.0 or OZG 2.0, it will be just as impossible without streamlining the proliferation of official regulations as it will be without the use of AI. If we could agree on that as a minimum consensus, we would have already gained a lot.

Arne Lehfeldt, Systems Engineer und CTO Ambassador bei Dell Technologies, erklärt im Podcast Security, Storage und Channel Germany mit Carolina Heyder, warum Unternehmen keine Angst vor KI haben sollten. Arne Lehfeldt, Systems Engineer and CTO Ambassador at Dell Technologies, explains why companies shouldn’t be afraid of AI in the Security, Storage and Channel Germany podcast with Carolina Heyder.

Von Jakob Jung

Dr. Jakob Jung ist Chefredakteur Security Storage und Channel Germany. Er ist seit mehr als 20 Jahren im IT-Journalismus tätig. Zu seinen beruflichen Stationen gehören Computer Reseller News, Heise Resale, Informationweek, Techtarget (Storage und Datacenter) sowie ChannelBiz. Darüber hinaus ist er für zahlreiche IT-Publikationen freiberuflich tätig, darunter Computerwoche, Channelpartner, IT-Business, Storage-Insider und ZDnet. Seine Themenschwerpunkte sind Channel, Storage, Security, Datacenter, ERP und CRM. Dr. Jakob Jung is Editor-in-Chief of Security Storage and Channel Germany. He has been working in IT journalism for more than 20 years. His career includes Computer Reseller News, Heise Resale, Informationweek, Techtarget (storage and data center) and ChannelBiz. He also freelances for numerous IT publications, including Computerwoche, Channelpartner, IT-Business, Storage-Insider and ZDnet. His main topics are channel, storage, security, data center, ERP and CRM. Kontakt – Contact via Mail: jakob.jung@security-storage-und-channel-germany.de

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