Im öffentlichen Diskurs werden die beiden Begriffe Digitalisierung“ und Digitale Transformation“ kaum voneinander abgegrenzt, urteilt Laura Martin, Customer Success Director bei CONGA.

In public discourse, the two terms „digitization“ and „digital transformation“ are hardly distinguished from one another, judges Laura Martin, Customer Success Director at CONGA.

Die Buzzwords „Digitalisierung“ und „Digitale Transformation“ werden von hohen Erwartungen begleitet. Der tiefe Fall folgt jedoch schnell, wenn klar wird, dass in Sachen Digitalisierung oder Digitale Transformation kaum eine Entwicklung zu verzeichnen ist. Können beide Themen in einen Topf geworfen werden oder sollte im deutschen Diskurs eine klare Abgrenzung erfolgen?

Im digitalen Kosmos herrscht ein Begriffschaos. In vielen Bereichen – ob im öffentlichen Diskurs, im Rahmen von Studien etc. – werden Digitalisierung und Digitale Transformation gleichgesetzt, obwohl es sich um zwei unterschiedliche Bereiche handelt, die aufeinander aufbauen.

Hinter dem Begriff Digitalisierung verbirgt sich die Umwandlung von analog in digital, um die Speicherung und Verarbeitung von Daten zu ermöglichen – beispielsweise werden aus Papierdokumenten PDF- oder Live-Dokumente. Diese Online-Dokumente können in ein Dokumentenmanagementsystem eingebettet werden, um Live-Überarbeitungen im Team durchzuführen und Änderungsschritte einzusehen oder durch Suchfunktionen schneller auf Inhalte zugreifen zu können. In diesen Bereich fällt auch die Schaffung einer zentralen Datenquelle für die gesammelten Daten, um schnellere Prozesse zu ermöglichen und diese Daten zur Erreichung verschiedener Geschäftsziele analysieren zu können. Bei der Analyse setzt die digitale Transformation an, bei der es um die in aller Munde befindliche Wettbewerbsfähigkeit geht. Das Geschäftsmodell eines Unternehmens wird hinterfragt und auf Basis von Datenanalysen können völlig neue Online-Kanäle geschaffen werden, um beispielsweise den Absatz zu steigern, die Kundenbindung zu stärken und mit der Konkurrenz mithalten zu können.

Diese beiden Bereiche lassen sich also nicht wirklich voneinander trennen, denn die digitale Transformation benötigt eine vorangegangene Digitalisierung, die im Rahmen einer Strategie erfolgen sollte, um die Basis für die Umsetzung der digitalen Transformation zu bilden.

Ein Praxisbeispiel für Digitalisierung – die deutsche Verwaltung

Die deutsche Verwaltung und ihre verfehlten Digitalisierungsziele stehen immer wieder im Fokus. Formulare werden zwar online zur Verfügung gestellt, müssen aber immer noch ausgedruckt und unterschrieben werden. Der Gang zum Amt gehört somit noch immer zum Alltag aller Bundesbürger – weit entfernt von vollständig digitalisierten Prozessen, die unabhängig von Papier und Stift von zu Hause aus erledigt werden können.

Der stockende Digitalisierungsfortschritt der deutschen Verwaltung wird stets mit weitaus entwickelteren Ländern verglichen, zum Beispiel Dänemark oder Estland. In Dänemark ermöglicht ein zentrales Personenregister ein virtuelles Amt, auf das die Einwohner mit individueller Nummer, Passwort und PIN zugreifen können. Somit sind jegliche analoge Services ins Digitale gewandert. In Estland hat jeder Einwohner einen Personalausweis, der gleichzeitig Versicherungskarte, Führerschein und Punktekarte für den Supermarkt ist. Damit können sie sich auch digital ausweisen. Mit einer PIN können die Esten Dokumente rechtsverbindlich unterschreiben.

Das Beispiel Estlands hängt mit dem X-Road-System zusammen, das folgendermaßen funktioniert: Übermittelt eine Person ihre Daten an eine Behörde, werden diese Daten nur dort gespeichert. Durch die X-Road sind die unterschiedlichen Datenbanken unterschiedlicher Institutionen miteinander verbunden, um den Datenaustausch zu ermöglichen. Dieser Datenaustausch muss jedoch von der Person erst erlaubt werden. Jeder Bürger kann jederzeit überprüfen, wann, wer und weshalb auf seine Daten zugegriffen wurde. Jegliche Services mehrerer Institutionen können online ausgeführt werden, nachdem eine Person einmalig ihre Daten, wie z.B. die Adresse, an eine Behörde weitergegeben hat und dann die Erlaubnis erteilt, diese Daten an andere Behörden weiterzuleiten.

Wird das dänische und estnische Beispiel auf ein Unternehmen umgemünzt und in den digitalen Reifegrad eingeordnet, hätte dieses Unternehmen nicht nur veraltete Prozesse ermittelt und abgeschafft bzw. umgestaltet, sondern bereits eine einzige Datenquelle geschaffen, auf die alle Beteiligten zugreifen können, um Prozesse zu automatisieren. Auf Basis dessen ließen sich Daten analysieren und neue Services entwickeln. Bei diesen Beispielen geht es also um eine sehr weit fortgeschrittene Digitalisierung, die eine digitale Transformation ermöglicht, sofern die Daten analysiert werden, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu sichern.

So sehr sich der Digitalisierungsgrad zwischen den Ämtern nordischer Länder und Deutschland unterscheidet, sollte fairerweise hervorgehoben werden, dass es sich bei den gängigen Vergleichen um Länder unterschiedlicher Größenordnung und entsprechender Komplexität handelt:

Estland als Benchmark des Diskurses mit ca. 1,3 Millionen Einwohnern, Dänemark mit ca. 5,9 Millionen und Deutschland mit über 80 Millionen Einwohnern, 16 Bundesländern, zahlreichen Gemeinden, die unterschiedlichste veraltete Software nutzen, und dem Ziel, mehr als 500 analoge Services digital abzubilden. Bei aller Fairness lässt sich jedoch nicht bestreiten, dass der Digitalisierungsreifegrad Deutschlands Ämter sehr gering ausfällt, weit entfernt von der Digitalen Transformation. Im Zusammenhang mit der Digitalen Verwaltung wird jedoch auch klar von Digitalisierung und dem obersten Ziel gesprochen, möglichst viele Behördengänge für möglichst viele Menschen digital zugänglich zu machen.[1] Die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit stellt in diesem Kontext kein Ziel dar.

Stichwort Wettbewerbsfähigkeit: Digitale Transformation in Europa mit Gaia X

Ein Beispiel, das mit der Datensammlung in einer einzigen Quelle zur Ermöglichung von Datenanalyse für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit ansetzt, ist Europas Projekt Gaia X. Der Aufbau einer europäischen Cloud-Dateninfrastruktur, um Europas Datensouveränität zu stärken und die Abhängigkeit von US-Hyperscalern zu reduzieren, sprich weltweit wettbewerbsfähig zu bleiben – eine Zieldefinition für die Digitale Transformation. Auch wenn die Gaia X-Initiative seit 2019 schleppend vorangeht, lässt sich dieses Beispiel ebenso auf Unternehmen runterbrechen, die daran arbeiten eine Dateninfrastruktur mit einer häufig erwähnten „Single Source of Truth“ aufzubauen, diese Daten mithilfe von künstlicher Intelligenz zu analysieren und Prognosen zu ermitteln, die zu neuen Ideen, Geschäftsmodellen, Services und zu einer stärkeren Wettbewerbsfähigkeit führen können.

Wie sich bereits erkennen lässt, spielt das Verständnis für Daten im Zusammenhang mit der Digitalen Transformation die entscheidende Rolle, nicht der vorschnelle Einsatz der innovativsten Technologie auf dem Markt. Es muss vorab geklärt werden, welche Daten in Unternehmen vorhanden sind, welche Datensilos aufgebrochen werden müssen, um eine zentrale Datenhaltung zu ermöglichen, welche Prozesse optimiert und automatisiert werden sollten. Auf Basis dessen empfiehlt sich der Einsatz künstlicher Intelligenz, die diese Daten analysiert und wettbewerbsentscheidende Erkenntnisse fürs Unternehmen liefert.

Fazit

Wie bereits erwähnt, lässt sich zusammenfassend sagen, dass die Begrifflichkeiten Digitalisierung und Digitale Transformation zwar zusammenhängen, jedoch nicht eins zu eins dasselbe abbilden. Es sind zwei unterschiedliche Stationen bei der Einordnung in den digitalen Reifegrad, jedoch mit fließendem Übergang – ob bei Privatunternehmen, Deutschlands Ämtern oder Cloud-Projekten in Europa. Unternehmen, die Ihre Dokumente und interne Prozesse umwandeln, befinden sich in der Phase der Digitalisierung. Gehen sie nicht den Schritt bis zur Schaffung einer einheitlichen Datenquelle und darauf aufbauenden Datenanalyse, bleiben sie in dieser Phase stecken und sind von der Digitalen Transformation noch ein gutes Stück entfernt. Um die Erwartungshaltung der Gesellschaft und Wirtschaft realistischer zu halten, empfiehlt sich eine konkretere Abgrenzung der Begrifflichkeiten Digitalisierung und Digitale Transformation – auch wenn sie in vielerlei Hinsicht ineinandergreifen. Nur so sind Beteiligte in der Lage die beiden Begriffe und den Reifegrad ihres Unternehmens realistisch einzuordnen.

The buzzwords „digitization“ and „digital transformation“ are accompanied by high expectations. However, the deep fall quickly follows when it becomes clear that there is hardly any development to report in terms of digitization or digital transformation. Can the two topics be lumped together or should a clear demarcation be made in German discourse?

There is a chaos of terms in the digital cosmos. In many areas – whether in public discourse, in the context of studies, etc. – digitization and digital transformation are equated, even though they are two different areas that build on each other.

Behind the term digitization is the transformation from analog to digital to enable the storage and processing of data – for example, paper documents become PDF or live documents. These online documents can be embedded in a document management system to enable live team revisions and to view change steps or to access content more quickly through search functions. This area also includes the creation of a central data source for the collected data to enable faster processes and to be able to analyze this data to achieve various business goals. Analysis is where digital transformation comes in, which is all about the competitiveness everyone is talking about. A company’s business model is scrutinized and completely new online channels can be created based on data analysis, for example, to increase sales, strengthen customer loyalty and keep up with the competition.

So these two areas cannot really be separated from each other, because digital transformation requires preceding digitization, which should take place as part of a strategy to form the basis for implementing digital transformation.

A practical example of digitization – the German administration

The German administration and its failed digitization goals are always in the spotlight. Forms are made available online, but they still have to be printed out and signed. Thus, going to the office is still part of everyday life for all German citizens – a far cry from fully digitized processes that can be completed from home, independent of paper and pen.

The faltering digitization progress of the German administration is always compared with far more developed countries, for example Denmark or Estonia. In Denmark, a central personal register enables a virtual office that residents can access with an individual number, password and PIN. Thus, any analog services have migrated to the digital. In Estonia, every resident has an ID card that is also an insurance card, driver’s license and points card for the supermarket. With it, they can also identify themselves digitally. With a PIN, Estonians can sign documents in a legally binding manner.

Estonia’s example is related to the X-Road system, which works as follows: If a person transmits his or her data to a public authority, this data is only stored there. Through the X-Road, the different databases of different institutions are interconnected to enable data exchange. However, this data exchange must first be permitted by the individual. Every citizen can check at any time when, who and why his or her data was accessed. Any services provided by several institutions can be carried out online after an individual has given his or her data, such as address, to one authority once and then gives permission for this data to be passed on to other authorities.

If the Danish and Estonian examples are applied to a company and classified in terms of digital maturity, this company would not only have identified and eliminated or redesigned outdated processes, but would already have created a single source of data that all stakeholders can access to automate processes. Based on this, data could be analyzed and new services developed. So these examples are about very advanced digitization that enables digital transformation, provided the data is analyzed to secure a competitive advantage.

 

As much as the degree of digitization differs between the offices of Nordic countries and Germany, it should be fairly emphasized that the common comparisons involve countries of different sizes and corresponding complexity:

Estonia as the benchmark of discourse with about 1.3 million inhabitants, Denmark with about 5.9 million, and Germany with over 80 million inhabitants, 16 federal states, numerous municipalities using a wide variety of outdated software, and the goal of digitally mapping more than 500 analog services. In all fairness, however, there is no denying that Germany’s level of digitization maturity is very low, far from digital transformation. In the context of digital administration, however, there is also clear talk of digitization and the overriding goal of making as many administrative processes as possible digitally accessible to as many people as possible.  Maintaining competitiveness is not a goal in this context.

Keyword Competitiveness: Digital Transformation in Europe with Gaia X

One example that starts with single-source data collection to enable data analytics for maintaining competitiveness is Europe’s Gaia X project. Building a European cloud data infrastructure to strengthen Europe’s data sovereignty and reduce dependence on U.S. hyperscalers, in other words, to remain globally competitive – a target definition for Digital Transformation. Although the Gaia X initiative has been slow since 2019, this example can equally be broken down to companies working to build a data infrastructure with an often-mentioned „single source of truth,“ analyze that data using artificial intelligence, and determine predictions that can lead to new ideas, business models, services, and increased competitiveness.

As can already be seen, the understanding of data in the context of Digital Transformation plays the decisive role, not the hasty use of the most innovative technology on the market. It must be clarified in advance what data is available in companies, which data silos need to be broken down to enable central data management, and which processes should be optimized and automated. Based on this, the use of artificial intelligence is recommended, which analyzes this data and provides competitive insights for the company.

Conclusion

As already mentioned, it can be summarized that the terms digitization and digital transformation are related, but do not represent the same thing one-to-one. They are two different stages in the classification of digital maturity, but with a fluid transition – whether in private companies, German government agencies or cloud projects in Europe. Companies that are transforming their documents and internal processes are at the stage of digitization. If they do not take the step up to creating a unified data source and data analysis based on it, they will remain stuck in this phase and still be a long way from Digital Transformation. In order to keep the expectations of society and business more realistic, a more concrete definition of the terms digitization and digital transformation is recommended – even though they are interrelated in many respects. Only in this way will stakeholders be able to classify the two terms and the maturity of their company realistically.

Von Jakob Jung

Dr. Jakob Jung ist Chefredakteur Security Storage und Channel Germany. Er ist seit mehr als 20 Jahren im IT-Journalismus tätig. Zu seinen beruflichen Stationen gehören Computer Reseller News, Heise Resale, Informationweek, Techtarget (Storage und Datacenter) sowie ChannelBiz. Darüber hinaus ist er für zahlreiche IT-Publikationen freiberuflich tätig, darunter Computerwoche, Channelpartner, IT-Business, Storage-Insider und ZDnet. Seine Themenschwerpunkte sind Channel, Storage, Security, Datacenter, ERP und CRM. Dr. Jakob Jung is Editor-in-Chief of Security Storage and Channel Germany. He has been working in IT journalism for more than 20 years. His career includes Computer Reseller News, Heise Resale, Informationweek, Techtarget (storage and data center) and ChannelBiz. He also freelances for numerous IT publications, including Computerwoche, Channelpartner, IT-Business, Storage-Insider and ZDnet. His main topics are channel, storage, security, data center, ERP and CRM. Kontakt – Contact via Mail: jakob.jung@security-storage-und-channel-germany.de

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